Die römische Antike, eine Epoche voller beeindruckender architektonischer Leistungen, hat uns unzählige Meisterwerke hinterlassen, von den Kolosseums bis hin zu den Aquädukten. Doch wie gelangten die Römer zu diesem außergewöhnlichen architektonischen Wissen? Die Antwort liegt in einem Werk, das im 2. Jahrhundert n. Chr. veröffentlicht wurde und bis heute als ein grundlegendes Dokument der Architekturgeschichte gilt: “De architectura” des Marcus Vitruvius Pollio, besser bekannt als Vitruv.
Vitruv, ein römischer Architekt und Ingenieur, diente während der Herrschaft des Kaisers Augustus. Sein Buch, oft als “Zehn Bücher über Architektur” bezeichnet, war mehr als nur eine Anleitung zum Bauen; es war ein umfassendes Handbuch, das architektonische Theorie mit praktischer Anwendung verband. Vitruv behandelte Themen wie die Auswahl geeigneter Baumaterialien, die Proportionen von Gebäuden, die Nutzung des Lichts und die Integration von Gebäuden in die Landschaft.
Er betonte die Wichtigkeit der Symmetrie, Harmonie und Funktionalität in der Architektur, Prinzipien, die sich im gesamten römischen Reich widerspiegelten. Vitruvs Werk war nicht nur für Architekten relevant; es enthielt auch wertvolle Informationen über Ingenieurswesen, Städteplanung und sogar Hygiene.
Die Folgen der Veröffentlichung von “De architectura”
Die Veröffentlichung von “De architectura” hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf die Architekturgeschichte:
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Weitergabe des Wissens: Vitruvs Buch diente als wichtiges Lehrwerk für Architekten und Baumeister im römischen Reich und darüber hinaus. Die darin enthaltenen Prinzipien und Techniken wurden über Jahrhunderte hinweg angewendet und weiterentwickelt.
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Standardisierung der Architektur: Vitruv’s Betonung auf Proportionen und Harmonie trug zur Standardisierung der römischen Architektur bei, was zu einer gewissen Einheitlichkeit in den Baustilen des Reiches führte.
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Wiederentdeckung im Mittelalter: Obwohl “De architectura” während des Mittelalters weitgehend vergessen wurde, erlebte es im 15. Jahrhundert eine Renaissance. Die Wiederentdeckung des Werks trug zur Entwicklung der Renaissancearchitektur bei und inspirierte berühmte Architekten wie Leonardo da Vinci und Michelangelo.
Ein Blick in die Inhalte von “De architectura”
Vitruv unterteilte sein Werk in zehn Bücher, die verschiedene Aspekte der Architektur behandelten:
Buch | Thema |
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I | Einleitung, Stadtplanung |
II | Materialien: Stein, Holz, Ziegel etc. |
III | Tempelarchitektur |
IV | Öffentliche Gebäude |
V | Privatgebäude |
VI | Wasserversorgung |
VII | Heizsysteme |
VIII | Sonnenuhren und andere Messinstrumente |
IX | Gartenbau, Landschaftsgestaltung |
X | Architekturtheorie |
Vitruv ging in seinen Werken weit über reine technische Anleitungen hinaus. Er beleuchtete auch philosophische Fragen der Architektur, wie die Beziehung zwischen dem Gebäude und seiner Umgebung oder die Bedeutung von Schönheit und Harmonie in der Baukunst.
“De architectura” war also mehr als nur ein Architekturhandbuch; es war ein Zeugnis des römischen Wissensstrebens und ein wichtiges Bindeglied zwischen der Antike und der Renaissance.
Vitruvs Einfluss bis heute
Auch heute noch inspiriert “De architectura” Architekten und Designer. Die Prinzipien von Symmetrie, Proportion und Funktionalität sind zeitlos gültig und finden Anwendung in modernen Architekturen. Darüber hinaus bietet Vitruvs Werk einen faszinierenden Einblick in die Denkweise der Römer und ihre Vorstellung von Architektur als Kunstform und gesellschaftliches Gebilde.
Wenn man heute durch die Ruinen antiker römischer Städte schlendert, kann man sich kaum vorstellen, dass sie alle auf den Prinzipien eines einzigen Architekten basierten: Marcus Vitruvius Pollio, der uns mit seinem Werk “De architectura” ein unwahrscheinlich wertvolles Erbe hinterlassen hat.